Anhand von Redemitteln wie «Guten Morgen» oder «Ich heisse…» erfahren Schülerinnen und Schüler die Sprachenvielfalt in der eigenen Klasse. Sie können auf ihre Sprachressourcen hinweisen und gleichzeitig andere Sprachen erproben.

Text: Dominique Braun
Empfohlen für Zyklus 1 und 2

Beschreibung der Idee

Wie sagt man in anderen Sprachen eigentlich «Ich heisse…» oder «Danke»? Diese Frage behandelte Diana Dalla Torre mit ihren Schülerinnen und Schülern im Unterricht für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Ausgangslage war das bekannte Begrüssungslied «Guete Morge» (Vgl. Idee «Mit Ritualen Sprachenvielfalt zeigen»), das in der DaZ-Gruppe mit den Herkunftssprachen der Lernenden erweitert wurde.
 

«Mir ging es bei der Sammlung der Redemittel darum, aufzuzeigen, dass alle Kinder in der Gruppe zwei oder mehrere Sprachen sprechen. Und ich wollte dadurch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe stärken, denn die Kinder kommen aus unterschiedlichen Klassen zu mir.» (Diana Dalla Torre, DaZ-Lehrerin).
 

In einem ersten Schritt betrachtete sie mit den Schülerinnen und Schülern anhand einer Tabelle verschiedene Begriffe und Redemittel in Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch:

Guten Morgen und Guten Tag in verschiedenen Sprachen. 
Aufnahme Diana Della Torre
Guten Morgen und Guten Tag in verschiedenen Sprachen.
Aufnahme Diana Della Torre
DeutschFranzösischEnglischItalienisch
Guten TagBonjourGood morningBuongiorno
Wie heisst du?Comment tu t’appelles?What’s your name?Come ti chiami?
DankeMerciThank youGrazie
Bitte (Antwort auf danke)De rienYou’re welcomePrego

Sie verglichen die jeweiligen Redemittel in den unterschiedlichen Sprachen.
 

Der DaZ-Lehrerin war es wichtig, auch die Eltern in dieses Projekt zur Mehrsprachigkeit einzubeziehen. Deshalb gab sie den Schülerinnen und Schülern den Auftrag, die Redemittel zu Hause mit den Eltern in ihre Erstsprache zu übersetzen. «Ich hatte auch festgestellt, dass es den Kindern selbst oft gar nicht möglich ist, direkt in ihre Erstsprache zu übersetzen.» (Diana Dalla Torre, DaZ-Lehrerin) – eine Beobachtung, die mit dem Konzept der «language modes»(1) erklärt werden kann: Zwei- und mehrsprachige Personen können sich je nach Zeitpunkt, Umgebung und Gegenüber in einem monolingualen oder bilingualen Modus befinden. Je nach Modus sind die jeweiligen Sprachen unterschiedlich stark aktiviert. Im monolingualen Kontext der Schule befinden sich auch mehrsprachige Kinder in einem monolingualen Modus. Die Schulsprache Deutsch ist stark aktiviert, weitere beherrschte Sprachen hingegen weniger. So ist es möglich, dass ein Kind Mühe hat, auf eine unerwartete Übersetzungsaufforderung zu reagieren, auch wenn es den Begriff in seiner Erstsprache durchaus kennt. In einem bilingualen Kontext hingegen, z.B. mit Geschwistern, befinden sich die Kinder im bilingualen Modus. Sie aktivieren ihre Erstsprache (oft unbewusst) stärker, weshalb das Hin- und Her-Switchen zwischen den Sprachen eher gelingt.(2)
 

Die Eltern reagierten positiv auf die Anfrage. Sie übersetzten die Redemittel gemeinsam mit den Kindern. Manche Kinder und Eltern ergänzten mit einer lautgetreuen Schreibweise. Sie wählten diese Lösung, wenn die Aussprache sehr schwierig war oder die Erstsprache nicht in der lateinischen Schrift geschrieben wird und die Kinder die Schrift nicht lesen und schreiben konnten.

Zurück in der Schule übertrugen die die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse in die bereits bestehende Tabelle. So kam eine Sammlung in verschiedenen Sprachen zusammen: Thailändisch, Serbisch, Tigrinya.


Verschiedene Redemittel in Englisch, Türkisch und Arabisch.
Aufnahme Diana Della Torre
Verschiedene Redemittel in Englisch, Türkisch und Arabisch.
Aufnahme Diana Della Torre
verschiedene_redemittel_2.jpg

Die DaZ-Lehrerin setzte immer eine Sprache in den Fokus. Die Gruppe hörte genau hin, las die Redemittel und übte sich in der korrekten Aussprache.
 

«Ich selbst machte die Erfahrung, wie schwierig die Aussprache manchmal ist. Die Kinder haben mich dann immer wieder korrigiert.»

Diana Dalla Torre, DaZ-Lehrerin

Die Lernenden stellten von sich aus Vergleiche zwischen den Sprachen an. So erkannten sie beispielsweise, dass die Endungen der Begrüssung in Thailändisch ändern, je nachdem ob das Subjekt weiblich oder männlich ist: Swadikha für weibliche Personen und Swadikhrab für männliche Personen. Dies im Gegensatz zu anderen Sprachen.
 

Die hier beschriebene Idee könnte auch sehr gut in einer Regelklasse oder sogar im ganzen Schulhaus umgesetzt werden. Fragen Lehrpersonen dabei nicht explizit nach den Erstsprachen, sondern stellen die Frage offener (siehe Gelingensbedingungen), können die Schülerinnen und Schüler ihr gesamtes Sprachwissen einbringen und auch einsprachige Kinder ihren Beitrag leisten.

So kann es gelingen

Sensibler Umgang mit Erstsprachen

Idealerweise formuliert eine Lehrperson den Übersetzungs-Auftrag offen und bittet die Schülerinnen und Schüler, die Redemittel in irgendeine Sprache zu übersetzen. Lernende mit einer anderen Erstsprache als Deutsch können dadurch selbst wählen, ob sie ihre Erstsprache einbringen möchten oder nicht. Die Lehrperson verhindert so, dass sich zwei- und mehrsprachige Kinder möglicherweise als «fremd» oder «anders» wahrgenommen fühlen (vgl. dazu Hintergrundinformationen zu Diversität). Zudem stellt sie Kinder nicht bloss, falls diese nicht in der Lage sind, ad hoc in ihre Erstsprache zu übersetzen (vgl. Ausführungen dazu weiter oben). In einer Regelklasse ermöglicht sie zudem allen Schülerinnen und Schülern, auch den einsprachigen, sich zu beteiligen. 
 

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse anschliessend in der Klasse präsentieren, achtet die Lehrperson darauf, dass sie sich von sich aus und freiwillig einbringen können. Wiederum helfen offene Fragen wie «Was habt ihr herausgefunden?» Möchte eine Lehrperson auf eine spezifische Sprache fokussieren, kann sie dies ebenfalls tun: «Was habt ihr zu den Redemitteln in Portugiesisch herausgefunden?». Wichtig ist, dass sie die Sprache und nicht einzelne Kinder ins Zentrum rückt.

Übersetzungen

Viele Eltern reagieren positiv, wenn Lehrpersonen sie für kurze Übersetzungen für den Unterricht anfragen. Auch in der Zusammenarbeit mit Eltern braucht es einen sensiblen Umgang bzgl. der sprachlichen Herkunft. Betrachten Lehrpersonen vorhandene Sprachkenntnisse der Eltern als Ressource, vermitteln sie ihnen eher Anerkennung und Wertschätzung als wenn sie auf fehlende Deutschkenntnisse fokussiert sind. Zu beachten gilt auch, dass Eltern mitunter über Kenntnisse in mehreren Sprachen ausser Deutsch verfügen. In vielen Ländern werden zudem – wie in der Schweiz – unterschiedliche Sprachen gesprochen, z.B. in Eritrea, in der Türkei, in Spanien. So sprechen Eltern möglicherweise eine andere Sprache als diejenige, die die Lehrperson im ersten Moment vermutet.
 

Möchte eine Lehrperson die Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht einbeziehen, fragt sie bei allen Eltern nach, in welchen Sprachen sie einen Beitrag leisten können und möchten. Wie den Kindern ermöglicht sie mit diesem Vorgehen auch den Eltern, sich von sich aus mit ihren Sprachkenntnissen einzubringen.
 

Die lautgetreue Verschriftlichung bietet sich wie oben beschrieben, v.a. für Sprachen mit anderen Schriftsystemen als der lateinischen Schrift an. Sie kann zusätzlich v.a. Eltern entlasten, die über wenige schriftliche Kenntnisse in ihrer Sprache verfügen und sich möglicherweise vor Fehlern fürchten. Und sie ermöglicht Kindern, die evtl. ebenfalls hauptsächlich mündliche Kenntnisse in ihrer Erst- oder einer anderen Sprache besitzen, den Schreibauftrag trotzdem zu erfüllen.
 

In der Tabelle kann die Klasse sowohl die orthographisch korrekte als auch die lautgetreue Schreibweise festhalten. Für die orthographisch korrekte Schreibweise bieten Übersetzungsprogramme hilfreiche Unterstützung.    

Sprachvergleiche

Bei der beschriebenen Idee geht es in erster Linie darum, den Lernenden die Vielfalt an Sprachen aufzuzeigen. Sprachvergleiche sind ebenfalls spannend. Dabei sollten Lehrpersonen beachten, dass einige Kinder erst am Ende des 1. Zyklus’ abstrakt über Sprachen nachdenken können. (3)  Wie Sprachvergleiche umgesetzt werden können, haben wir hier beschrieben.

Weiterführende Möglichkeiten

Die hier bearbeiteten Redemittel könnten Lehrpersonen auch mit Redemitteln aus dem Kindergarten- oder Schulalltag ergänzen: «Ich möchte in der Puppenecke spielen.» «Kannst du mir helfen?» usw.
 

Wenden Lehrpersonen die eingeführten Redemittel im Unterricht immer wieder an, z.B. indem sie die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Sprachen begrüssen oder sich in unterschiedlichen Sprachen bedanken, integrieren sie die Sprachenvielfalt zudem nachhaltiger im Unterricht. Oder sie greifen neue Redemittel in verschiedenen Sprachen in der beschriebenen Weise auf, was ebenfalls eine nachhaltige Wirkung bzgl. Sprachenvielfalt hat.


  1. (1) vgl. Grosjean, 2001

    (2) vgl. Grosjean, 2001, S. 39 – 41.

    (3) vgl. Kaltenbacher und Klages 2012, S. 92.

Materialien und Links

Die Idee stammt aus: Strozyk, K. (2016). Einstieg DaZ – Ein praxisorientierter Leitfaden zur sprachlichen Integration von Kindern. Braunschweig: Georg Westermann.

Verwendete Literatur

Grosjean, F. (2001). The bilingual's language modes. In J. Nicol (Hrsg.), One Mind, Two Languages: Bilingual Language Processing (S. 1–22). Oxford: Blackwell. Verfügbar unter: www.francoisgrosjean.ch

Kaltenbacher, E. & Klages, H. (2006). Sprachprofil und Sprachförderung bei Vorschulkindern mit Migrationshintergrund. In B. Ahrenholz (Hrsg.), Kinder mit Migrationshintergrund. Spracherwerb und Fördermöglichkeiten. (S. 80 – 97). Freiburg im Breisgau: Fillibach Verlag.

Kontakt

Diana Dalla Torre
DaZ-Lehrerin, Kindergarten und Primarschule Stansstad
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Dominique Braun
Dozentin, PH Zug
Mail schicken

Sprachen sichtbar machen

Eine Schulkultur, die alle Sprachen ihrer Schülerinnen und Schüler anerkennt und wertschätzt, macht diese Sprachen sichtbar:

Mehrsprachigkeit als Normalität

Eine Didaktik der Mehrsprachigkeit bezieht alle Sprachen der Schülerinnen und Schüler selbstverständlich mit ein. Sie ermöglicht ihnen Sprachbegegnungen und lässt sie über Sprache nachdenken:

Erstsprachen fördern

Nicht-deutsche erstsprachliche Kompetenzen und jeweilige bildungssprachliche Fähigkeiten können auch in der Regelklasse gefördert werden, idealerweise in Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen des Unterrichts in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK):

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